BELMONTE
Hier, Constanze, sollt' ich dich wieder finden? Dies wäre der Ort, der mein Mädchen, mein Alles verbärge? O dass es Wahrheit wäre, dass mich kein süßer Traum täuschte! Ah, Liebe, Liebe! Du gabst mir der Leiden so viel; wie Morgenträume schwanden deine Freuden dahin. O, gib mir sie zurück, das Mädchen meiner Seele! gib mir sie zurück! Traurig und angstvoll hängt über mir die Zukunft, bis ich sie wieder habe, sie wieder an mein Herz drücke! Aber wie soll ich hinein kommen in den Palast? Wie sie sehen? wie sprechen?

OSMIN
Wer ein Liebchen hat gefunden,
Die es treu und redlich meint,
Lohn' es ihr durch tausend Küsse,
Mach ihr all das Leben süße,
Sei ihr Tröster, sei ihr Freund.
Trallalera, trallalera!

BELMONTE
Vielleicht dass ich durch diesen Alten etwas erfahre. – He, Freund! Ist das nicht das Landhaus des Bassa Selim?

OSMIN
Doch sie treu sich zu erhalten,
Schließ' er Liebchen sorglich ein.
Denn die losen Dinger haschen
Jeden Schmetterling, und naschen
Gar zu gern vom fremden Wein.
Trallalera, trallalera!

BELMONTE
He, Alter, he! hört Ihr nicht? – Ist hier des Bassa Selim Palast?

OSMIN
Sonderlich beim Mondenscheine
Freunde, nehmt sie wohl in Acht!
Oft lauscht da ein junges Herrchen,
Kirrt und lockt das kleine Närrchen,
Und dann Treue, gute Nacht!
Trallalera, trallalera!

BELMONTE
Verwünscht seist du und dein Lied!

BELMONTE
Nur ein Wort, Alter, nur ein Wort!

OSMIN
Was gibt’s?

BELMONTE
Gehört dieses Landhaus dem Bassa Selim?

OSMIN
Ja, 's gehört ihm. Will immer ins Haus.

BELMONTE
Seid Ihr in seinen Diensten?

OSMIN
Getroffen!

BELMONTE
Ist nicht ein Aufseher über die Gärten hier, der Pedrillo heißt?

OSMIN
Ja, 's ist so ein Schurke da.

BELMONTE
Kann ich ihn sprechen?

OSMIN
Das ist Eure Sorge.

BELMONTE
Ei so wartet doch einen Augenblick, und lasst mit Euch reden.

OSMIN
's beliebt mir nicht. Ihr habt just so eine schurkische ausländische Miene, wie jener Galgendieb, und seht einem Spion so ähnlich, wie ein Ei dem andern. Geht zum Henker!

BELMONTE
Hab' ich je so einen alten griesgrämigen Schurken gesehen? Laut. Aber ich hab' Geschäfte beim
Pedrillo, und muss ihn notwendig sprechen.

OSMIN
Geschäfte? Ja, Spitzbüberei zu treiben, und mit ihm halb Part zu machen. Trollt Euch, trollt Euch!

BELMONTE
Der Henker hole den Isegrim! – Laut. Ich verlange: Eure Dienste nicht umsonst, Alter! –

OSMIN
Und ich Eure Geschenke nicht.

BELMONTE
Seht einmal diesen blanken Dukaten! sollt ihn haben.

OSMIN
Und Ihr fünfzig tüchtige Prügel auf die Fußsohlen.

BELMONTE
Das ist ein Vieh von einem Kerl! Laut. Aber wer Seid Ihr denn, dass Ihr so mit mir sprecht?

OSMIN
Hab' ich Euch gefragt?

BELMONTE
Das ist zum rasend werden!

OSMIN
Und wenn Ihr noch viel Murmelus und Federlesens macht, so lass' ich Euch eine Bastonade auftischen, die Ihr so bald nicht verdauen sollt. – Immer marsch von der Türe weg! Geht zum Teufel, wo Ihr hergekommen Seid! Hier setzt's nichts zu gaunern!
Er treibt ihn zurück.

BELMONTE
Ah, Geduld, armes Herz! O Constanze!

OSMIN
Könnt' ich mir doch noch so einen Schurken auf die Nase setzen, wie den Pedrillo; so einen Gaudieb, der Tag und Nacht nichts tut, als nach meinen Weibern herum zu schleichen, und zu schnobern, ob's nichts für seinen Schnabel setzt: aber ich lauere ihm sicher auf den Dienst, und wohl bekomm dir die Prügelsuppe, wenn ich dich einmal beim Kanthaken kriege! – Hätt' er sich nur beim Bassa nicht so eingeschmeichelt, er sollte den Strick längst um Hals haben.


PEDRILLO
Nun wie steht’s, Osmin? Ist der Bassa noch nicht zurück?

OSMIN
Sieh darnach, wenn du's wissen willst.

PEDRILLO
Schon wieder Sturm im Kalender? – Hast du das Gericht Feigen für mich gepflückt?

OSMIN
Gift für dich, verwünschter Schmarotzer!

PEDRILLO
Was in aller Welt ich dir nun getan haben muss, dass du beständig mit mir zankst. Lass uns doch einmal Friede machen.

OSMIN
Friede mit dir? Pass auf, der nur spioniert, wie er mir eins versetzen kann? Erdrosseln möcht' ich dich!

PEDRILLO
Aber sag nur, warum? warum?

OSMIN
Warum? – Weil ich dich nicht leiden kann, weil du dem Galgen entlaufen bist, und weil ich nicht ruhen kann, als bis ich dich Verräter aus der Welt geschickt habe!

PEDRILLO
Geh nur, alter verwünschter Aufpasser; es ist noch nicht aller Tage Abend. Wer weiß, wer den Andern überlistet; und dir misstrauischem gehässigen Menschenfeinde eine Grube zu graben, sollte ein wahres Fest für mich sehn!

BELMONTE
Pedrillo, guter Pedrillo!

PEDRILLO
Ach mein bester Herr! Ist’s möglich? Sind Sie's wirklich? Bravo, Madam Fortuna, bravo! das heißt doch Wort gehalten! Schon verzweifelte ich, ob einer meiner Briefe Sie getroffen hätte.

BELMONTE
Sag, guter Pedrillo, lebt meine Konstanze noch?

PEDRILLO
Lebt, und noch hoff' ich für Sie. Seit dem schrecklichen Tage, an welchem das Glück uns einen so hässlichen Streich spielte, und unser Schiff von den Seeräubern erobern ließ, haben wir mancherlei Drangsal erfahren. Glücklicher Weise traf sich’s noch, dass der Bassa Selim uns alle drei kaufte: Ihre Konstanze  nämlich, meine Blonde, und mich. Er ließ uns sogleich hier auf sein Landhaus bringen. Donna Konstanze  ward seine auserwählte Geliebte.

BELMONTE
Ah! was sagst du?

PEDRILLO
Na, nur nicht so hitzig! Sie ist noch nicht in die schlimmsten Hände gefallen. Der Bassa ist ein Renegat, und hat noch so viel Delikatesse,
keine seiner Weiber zu seiner Liebe zu zwingen; und so viel ich weis, spielt er noch immer den unerhörten Liebhaber.

BELMONTE
Wär es möglich? Wär Konstanze  noch treu?

PEDRILLO
Sicher noch, lieber Herr! Aber wie's mit meinem Blondchen steht, weis der Himmel! Das arme Ding schmachtet bei einem alten hässlichen Kerl, dem sie der Bassa geschenkt hat; und vielleicht – ach ich darf gar nicht dran denken!

BELMONTE
Doch nicht der alte Kerl, der so eben ins Haus ging?

PEDRILLO
Eben der.

BELMONTE
Und dies ist der Liebling des Bassa?

PEDRILLO
Liebling, Spion, und Ausbund aller Spitzbuben, der mich mit den Augen vergiften möchte, wenn’s möglich wäre.

BELMONTE
O guter Pedrillo! was sagst du?

PEDRILLO
Nur nicht gleich verzagt! Unter uns gesagt: ich hab' auch einen Stein im Brett beim Bassa. Durch mein bisschen Geschick in der Gärtnerei hab' ich seine Gunst weggekriegt, und dadurch hab' ich so ziemliche Freiheit, die tausend Andere nicht haben würden. Da sonst jede Mannsperson sich entfernen muss, wenn eine seiner Weiber in Garten kommt, kann ich bleiben; sie reden so gar mit mir, und er sagt nichts darüber. Freilich mault der alte Osmin, besonders wenn mein Blondchen ihrer Gebieterin folgen muss.

BELMONTE
Ist’s möglich? Du hast sie gesprochen? – O sag, sag! Liebt sie nicht noch?

PEDRILLO
 Hm! dass Sie daran zweifeln! Ich dächte, Sie kennten die gute Konstanze mehr als zu gut; hätten Proben genug ihrer Liebe. – Doch damit dürfen wir uns gar nicht aufhalten. Hier ist bloß die Frage, wie's anzufangen ist, hier weg zu kommen?

BELMONTEO
da hab' ich für alles gesorgt! Ich hab' hier ein Schiff in einiger Entfernung vom Hafen, das uns auf den ersten Wink einnimmt, und –

PEDRILLO
Ah, sachte, sachte! Erst müssen wir die Mädels haben, ehe wir zu Schiffe gehen; und das geht nicht so husch, husch! wie Sie meinen.

BELMONTE
O lieber guter Pedrillo, mach nur, dass ich sie sehen, dass ich sie sprechen kann! Das Herz schlägt mir vor Angst, vor Freude! –

PEDRILLO
Pfiffig müssen wir das Ding anfangen, und rasch müssen wir's ausführen, damit wir den alten Aufpasser übertölpeln. Bleiben Sie hier in der Nähe. Jetzt wird der Bassa bald von einer Lustfahrt auf dem Wasser zurück kommen. Ich will Sie ihm als einen geschickten Baumeister vorstellen: denn Bauen und Gärtnerei sind seine Steckenpferde. Aber lieber, goldner Herr, halten Sie sich in Schranken; Konstanze  ist bei ihm –

BELMONTE
Konstanze  bei ihm? Was sagst du? Ich soll sie sehen?

PEDRILLO
Gemach, gemach um Himmels willen, lieber Herr! sonst stolpern wir – Ah ich glaube, dort seh' ich sie schon angefahren kommen. Gehen Sie nur auf die Seite, wenn er kommt; ich will ihm entgegen gehen.

BELMONTE
Konstanze! Dich wieder zu sehen – –

O wie ängstlich, o wie feurig
Klopft mein liebevolles Herz!
Und des Wiedersehens Zähre
Lohnt der Trennung bangen Schmerz.
Schon zitt’r ich und wanke,
Schon zag' ich und schwanke,
Es hebt sich die schwellende Brust:
Ist das ihr Lispeln?
Es wird mir so bange;
War das ihr Seufzen?
Es glüht mir die Wange;
Täuscht mich die Liebe, war es ein Traum?

PEDRILLO
Geschwind, geschwind auf die Seite und versteckt! Der Bassa kommt.

CHOR.
Singt dem großen Bassa Lieder,
Töne, feuriger Gesang;
Und vom Ufer halle wieder
Unsrer Lieder Jubelklang!

EINE ODER ZWO STIMMEN.
1) Weht ihm entgegen,
Kühlende Winde,
Ebne dich sanfter,
Wallende Flut!

2) Singt ihm entgegen,
Fliegende Chöre,
Singt ihm der Liebe
Freuden ins Herz!

CHOR.
Singt dem großen Bassa Lieder,
Töne feuriger Gesang;
Und vom Ufer halle wieder,
Unsrer Lieder Jubelklang.

SELIM
Immer noch traurig, geliebte Konstanze? immer in Tränen? – Sieh, dieser schöne  Abend, diese reizende Gegend, diese bezaubernde Musik, meine zärtliche Liebe für dich – Sag', kann nichts von allem dich endlich beruhigen, endlich dein Herz rühren? – Sieh, ich könnte befehlen, könnte grausam mit dir verfahren, dich zwingen –

SELIM
Aber nein, Konstanze, dir selbst will ich dein Herz zu danken haben – dir selbst –

KONSTANZE
Großmütiger Mann! o dass ich es könnte! dass ich’s erwidern könnte – aber –

SELIM
Sag, Konstanze, sag, was hält dich zurück?

KONSTANZE
Du wirst mich hassen.

SELIM
Nein, ich schwöre dir's. Du weißt, wie sehr ich dich liebe, wie viel Freiheit ich dir vor allen meinen Weibern gestatte; dich wie meine Einzige schätze

KONSTANZE
O so verzeih!

Ach, ich liebte,
War so glücklich,
Kannte nicht der Liebe Schmerz!
Schwur ihm Treue
Dem Geliebten,
Gab dahin mein ganzes Herz:
Doch im Hui schwand meine Freude,
Trennung war mein banges Loos;
Und nun schwimmt mein Aug' in Tränen,
Kummer ruht in meinem Schoos.
Während des Gesanges geht der Bassa unwillig hin und her.

KONSTANZE
Ach, ich sagt' es wohl, du würdest mich hassen. Aber verzeih, verzeih dem liebekranken Mädchen! – du bist ja so großmütig, so gut – Ich will dir dienen, deine Sklavin sein, bis ans Ende meines Lebens: nur verlange nicht ein Herz von mir, das auf ewig versagt ist. –

SELIM
Ha, Undankbare! Was wagst du zu bitten?

KONSTANZE
Töte mich, Selim, töte mich! nur zwinge mich nicht, meineidig zu werden. – Noch zuletzt, wie mich der Seeräuber aus den Armen meines Geliebten riss, schwur ich aufs feierlichste –

SELIM
Halt ein! nicht ein Wort! Reize meinen Zorn nicht noch mehr. Bedenke, dass du in meiner Gewalt bist

KONSTANZE
Ich bin es: aber du wirst dich ihrer nicht bedienen, ich kenne dein gutes, dein mitleidvolles Herz. Hätte ich’s sonst wagen können, dir das meinige zu entdecken? –

SELIM
Wag' es nicht, meine Güte zu missbrauchen

KONSTANZE
Nur Aufschub gönne mir, Herr! Nur Zeit, meinen Schmerz zu vergessen –

SELIM
Wie oft schon gewährt' ich dir diese Bitte –

KONSTANZE
Nur noch dis Mal!

SELIM
Es sei! zum letzten Male! – Geh, Konstanze, geh! Besinne dich eines Bessern, und Morgen –

KONSTANZE  
Unglückliches Mädchen! O Belmonte, Belmonte!

SELIM
Ihr! Schmerz, ihre Tränen, ihre Standhaftigkeit bezaubern mein Herz immer mehr, machen mir ihre Liebe nur noch wünschenswerter. Ha! wer wollte gegen ein solches Herz Gewalt brauchen? – Nein,

KONSTANZE
nein, auch Selim hat ein Herz; auch Selim kennt Liebe –

PEDRILLO
Herr! verzeih, dass ich es wage, dich in deinen Betrachtungen zu stören –

SELIM
Was willst du, Pedrillo?

PEDRILLO
Dieser junge Mann, der sich in Italien mit vielem Fleiß auf die Baukunst gelegt, hat von deiner Macht, von deinem Reichtum gehört, und kommt her, dir als Baumeister seine Dienste anzubieten.

BELMONTE
Herr! könnte ich so glücklich sein, durch meine geringen Fähigkeiten deinen Beifall zu verdienen.

SELIM
Hm! Du gefällst mir. Lass sehen, was du kannst. – Sorge für seinen Unterhalt. Morgen werde ich dich wieder rufen lassen.

PEDRILLO
Ha! Triumph, Triumph, Herr! der erste Schritt war getan.

BELMONTE
Ach Lass mich zu mir selbst kommen! – Ich hab sie gesehen, hab das gute treue beste Mädchen gesehen! – O KONSTANZE , KONSTANZE ! Was könnt' ich für dich tun, was für dich wagen?

PEDRILLO
Ha! Gemach, gemach, bester Herr! Stimmen Sie den Ton ein Bisschen herab; Verstellung wird uns weit bessere Dienste leisten. Wir sind nicht in unserm Vaterlande. Hier fragen sie den Henker darnach, ob's einen Kopf mehr oder weniger in der Welt gibt. Bastonade und Strick um Hals sind hier wie ein Morgenbrot.

BELMONTE
Ach, Pedrillo! wenn du die Liebt kenntest –

PEDRILLO
Hm! Als wenn’s mit unser einem gar nichts wäre. Ich habe so gut meine zärtlichen Stunden als andere Leute. Und denken Sie denn, dass mir's nicht auch im Bauche grimmt, wenn ich mein Blondchen von so einem alten Spitzbuben, wie der Osmin ist, bewacht sehen muss?

BELMONTEO
wenn es möglich wäre, sie zu sprechen –

PEDRILLO
Wir wollen sehen, was zu tun ist. Kommen Sie nur mit mir in Garten: aber um alles in der Welt, vorsichtig und fein. Denn hier ist alles Aug und Ohr.

OSMIN
Wohin?

PEDRILLO
Hinein!

OSMIN zu BELMONTE
Was will das Gesicht? – Zurück mit dir, zurück!

PEDRILLO
Ha, gemach Meister Grobian, gemach! Er ist in des Bassa Diensten.

OSMIN
In des Henkers Diensten mag er sein! Er soll nicht herein!

PEDRILLO
Er soll aber hinein!
OSMIN
Kommt mir nur einen Schritt über die Schwelle –

BELMONTE
Unverschämter! Hast du nicht mehr Achtung für einen Mann meines Standes?

OSMIN
Ei, Ihr mögt mir vom Stande sein! – Fort, fort, oder ich will euch Beine machen.

PEDRILLO
Alter Dummkopf! Es ist ja der Baumeister, den der Bassa angenommen hat.

OSMIN
Meinethalben sei er Stockmeister: nur komm er mir hier nicht zu nahe. Ich müsste nicht sehen, dass es so ein Kumpan deines Gelichters ist, und dass das so eine ab geredete Karte ist, uns zu überlisten. Der Bassa ist weich wie Butter, mit dem könnt ihr machen, was ihr wollt: aber ich habe eine feinere Nase. Gaunerei Ist’s um den ganzen Kram, mit euch fremden Gesindel; und ihr ab gefeimten Betrüger habt lange eure Plänchen angelegt, eure Pfiffe auszuführen: aber wart ein Bisschen! Osmin schläft nicht. Wär ich Bassa, ihr wärt längst gespießt. – Ja! schneidet nur Gesichter, lacht nur höhnisch in Bart hinein!

PEDRILLO
Ereifre dich nicht so, Alter; es hilft dir doch nichts. Sieh, so eben werden wir hinein spazieren.

OSMIN
Ha! das will ich sehen! Stellt sich vor die Türe.

PEDRILLO
Mach keine Umstände. –

BELMONTE
Weg, Niederträchtiger!

Terzet:

OSMIN
Marsch! Marsch! Marsch! trollt euch fort!
Sonst soll die Bastonade
Euch gleich zu Diensten steh’n.

BELMONTE UND PEDRILLO
Ei, ei! Das wär ja Schade,
So mit uns umzugehn.

OSMIN
Kommt mir nicht näher.

BELMONTE UND PEDRILLO
Weg von der Türe.

OSMIN
Sonst schlag' ich drein.

BELMONTE UND PEDRILLO
Wir geh’n hinein.

OSMIN
Marsch, fort!

BELMONTE UND PEDRILLO
Platz dort!

OSMIN
Ich schlage drein!

BELMONTE UND PEDRILLO
Wir gehn hinein!

2. Akt
BLONDE
O des Zankens, Befehlens und Murrens wird auch kein Ende! Einmal für allemal: das steht mir nicht an! Denkst du alter Murrkopf etwa eine türkische Sklavin vor dir zu haben, die bei deinen Befehlen zittert? o da irrst du dich sehr! Mit europäischen Mädchen springt man nicht so herum; denen begegnet man ganz anders.

Durch Zärtlichkeit und Schmeicheln,
Gefälligkeit und Scherzen,
Erobert man die Herzen
Der guten Mädchen leicht:
Doch mürrisches Befehlen
Und Poltern, Zanken, Plagen
Macht, dass in wenig Tagen
So Lieb' als Treu entweicht.

OSMIN
Ei seht doch mal, was das Mädchen vorschreiben kann! Zärtlichkeit! Schmeicheln! – Es ist mir wie pure Zärtlichkeit! – Wer Teufel hat dir das Zeug im Kopf gesetzt? – Hier sind wir in der Türkei, und da geht’s aus einem andern Tone. Ich dein Herr; du meine Sklavin; ich befehle, du musst gehorchen!

BLONDE
Deine Sklavin? ich deine Sklavin? – Ha! ein Mädchen eine Sklavin! Noch einmal sag mir das, noch einmal!

OSMIN für sich.
Ich möchte toll werden, was das Madchen für ein starrköpfiges Ding ist. Laut. Du hast doch wohl nicht vergessen, dass dich der Bassa mir zur Sklavin geschenkt hat?

BLONDE
Bassa hin, Bassa her! Mädchen sind keine Ware zum Verschenken! Ich bin eine Engländerin, zur Freiheit geboren; und trotz jedem, der mich zu etwas zwingen will!

OSMIN bei Seite.
Gift und Dolch über das Mädchen! – Beim Mohamed! sie macht mich rasend. – Und doch lieb' ich die Spitzbübin, trotz ihres tollen Kopfs! – Laut. Ich befehle dir augenblicklich, mich zu lieben.

BLONDE
Hahaha! Komm mir nur ein wenig näher, ich will dir fühlbare Beweise davon geben.

OSMIN
Tolles Ding! Weißt du, dass du mein bist, und ich dich dafür züchtigen kann?

BLONDE
Wag's nicht, mich anzurühren, wenn dir deine Augen lieb sind.

OSMIN
Wie? du unterstehst dich –

BLONDE Da ist was zu unterstehen! Du bist der Unverschämte, der sich zu viel Freiheit herausnimmt. So ein altes hässliches Gesicht untersteht sich, einem Mädchen wie ich, jung, schön, zur Freude geboren, wie einer Magd zu befehlen! Wahrhaftig, das stünde mir an! Uns! uns gehört das Regiment; ihr Seid unsre Sklaven, und glücklich, wenn ihr Verstand genug habt, euch die Ketten zu erleichtern.

OSMIN
Bei meinem Bart, sie ist toll! Hier, hier in der Türkei?
BLONDE
Türkei hin, Türkei her! Weib ist Weib, sie sei wo sie wolle! Sind eure Weiber solche Rörrinnen, sich von euch unterjochen zu lassen, desto schlimmer für sie; in Europa verstehen sie das Ding besser. Lass mich nur einmal Fuß hier gefasst haben, sie sollen bald anders werden.

OSMIN
Beim Allah, die wär' im Stande, uns allen die Weiber rebellisch zu machen – Aber –

BLONDE
Aufs Bitten müsst ihr euch legen, wenn ihr etwas von uns erhalten wollt; besonders Liebhaber deines Gelichters. –

OSMIN
Freilich, wenn ich Pedrillo wär', so eine runde Figur wie er machte, da wär' ich vermutlich willkommen: denn euer Mienenspiel hab' ich lange weg.

BLONDE
Erraten, guter Alter, erraten! Das kannst du dir wohl einbilden, dass mir der hübsche fette Pedrillo lieber ist, wie dein ausgehungertes Gesicht. Also, wenn du klug wärst –

OSMIN
Sollt' ich dir Freiheit geben, zu tun und zu machen, was du wolltest? He?

BLONDE
Besser würdest du immer dabei fahren: denn so wirst du sicher betrogen!

OSMIN
Gift und Dolch! Nun reißt mir die Geduld! Den Augenblick hinein ins Haus! Und wo du's wagst –

BLONDE
Mach' mich nicht zu lachen.

OSMIN
Ins Haus, sag ich!

BLONDE Nicht von der Stelle!

OSMIN
Mach' nicht, dass ich Gewalt brauche –

BLONDE
Gewalt werd' ich mit Gewalt vertreiben. Meine Gebieterin hat mich hier im Garten bestellt; sie ist die Geliebte des Bassa, sein Augapfel, sein Alles; und es kostet mir ein Wort, so hast du fünfzig auf die Fußsohlen. Also geh –

OSMIN für sich.
Der Henker hole die Engländerinnen! Jetzt muss ich schon tanzen, wie sie pfeift: aber alle Tritt' und Schritte will ich beobachten. Laut. Ich gehe: aber wo du eine Miene machst, den Pedrillo zu sprechen

BLONDE
Fort, fort, fort! da kommt Konstanze .

Osmin geht unwillig ab.

BLONDE
Wie traurig das gute Mädchen daher kommt! Freilich tut’s weh, den Geliebten zu verlieren und Sklavin zu sein. Es geht mir wohl auch nicht viel besser; aber ich habe doch noch das Vergnügen, meinen Pedrillo manchmal zu sehen, ob’s gleich auch mager und verstohlen genug geschehen muss: doch wer kann wider den Strom schwimmen? –

KONSTANZE tritt ohne Blonden zu bemerken auf:
Traurigkeit ward mir zum Lose,
Weil ich dir entrissen bin.
Gleich der wurmzernagten Rose,
Gleich dem Gras im Wintermoose,
Welkt mein banges Leben hin.
Selbst der Luft darf ich nicht sagen
Meiner Seele bittern Schmerz:
Denn unwillig ihn zu tragen,
Haucht sie alle meine Klagen
Wieder in mein armes Herz.

BLONDE
Ach mein bestes Fräulein! noch immer so traurig?

KONSTANZE
Kannst du fragen, da du meinen Kummer weißt? – Wieder ein Abend, und noch keine Nachricht, noch keine Hoffnung! – Und morgen – ach Gott! ich darf nicht daran denken.

BLONDE
Heitern Sie sich wenigstens ein Bisschen auf. Sehn Sie, wie schön der Abend ist, wie blühend uns alles entgegen lacht, wie freudig uns die Vögel zu ihrem Gesang einladen! Verbannen Sie die Grillen, und fassen Sie Mut! Kommen Sie, lassen Sie uns unsern Rundgesang anstimmen; vielleicht ist die Hülfe nicht mehr weit.

KONSTANZE
Wie glücklich bist du Mädchen, bei deinem Schicksal so gelassen zu sein! O dass ich es auch könnte!

BLONDE
Hoffen wir es wenigstens! Aber bestes Fräulein, das Rondo! Sie wissen ja, mit welchem Zauber die Musik aufs Herz wirkt; und es ist ja Ihr Lieblingsstück, so schmelzend, so zärtlich! O ich fange an!

KONSTANZE  UND BLONDE
Hoffnung, Trösterin im Leiden!
Du versüßest allen Schmerz;
Lächelst uns nach langem Scheiden
Freuden ins gebeugte Herz.

KONSTANZE
Oft im öden Hain verlassen,
Schreckt uns Finsternis und Grab,
Und der Wangen Rosen blassen
Von des Kummers Zähren ab.

BLONDE.
Doch wie schwinden alle Sorgen,
Jede Träne wird verscheucht,
Wenn sich der gewünschte Morgen,
Nur in ferner Dämm’rung zeigt.
KONSTANZE  UND BLONDE zugleich.
Hoffnung, Trösterin im Leiden!
Du versüßest allen Schmerz;
Lächelst uns nach langem Scheiden
Freuden ins gebeugte Herz.

KONSTANZE .
Wenn von Sturm und Nacht umgeben
Sinkend sich der Nachen beugt,
Angst und Zagen uns umschweben
Und der grimme Tod sich zeigt:

BLONDE.
Schleudert uns, im Todesschlummer,
Eine Well' auf weiches Moos;
Und wir ruhen frei vom Kummer,
Süße Hoffnung, dir im Schoß.

KONSTANZE  UND BLONDE
Hoffnung, Trösterin im Leiden!
Du versüßest allen Schmerz;
Lächelst uns nach langem Scheiden
Freuden ins gebeugte Herz.

BLONDE
Nicht wahr, es ist Ihnen nicht mehr so eng ums Herz? – Ach! dort seh’ ich den Bassa; vermutlich hat er Ihnen was zu sagen.

KONSTANZE
Den Bassa? – Ach ich muss seinen Anblick vermeiden! – Einsame Schatten! Seid ihr meine Tröster!
Geht ab.

BLONDE
Die gute Donna! sie dauert mich herzlich! – Aber ist das nicht Pedrillo, der mir so geheimnisvoll winkt? – Was muss der mir zu sagen haben?

PEDRILLO
Bst, bst! Blondchen, Blondchen! Ist der Weg rein?

BLONDE
Komm nur, komm! Der Bassa ist wieder zurück. Ich habe eben meinem Alten den Kopf ein bisschen gewaschen. Was hast du denn?

PEDRILLO
O Neuigkeiten, Neuigkeiten, die dich entzücken werden.

BLONDE
Nun? hurtig heraus damit!

PEDRILLO
Erst, liebes Herzensblondchen, Lass dir vor allen Dingen einen recht herzlichen Kuss geben: du weißt ja, wie gestohlnes Gut schmeckt.

BLONDE
Pfui, pfui! Wenn das deine Neuigkeiten alle sind!

PEDRILLO
Narrchen, mach darum keinen Lärm: der alte spitzbübische Osmin lauert uns sicher auf den Dienst.

BLONDE
Nun? und die Neuigkeiten?

PEDRILLO
Sind, dass das Ende unsrer Sklaverei vor der Türe ist. – Er sieht sich sorgfältig um. Belmonte,  Konstanz’ns Geliebter, ist angekommen; und ich hab' ihn unter dem Namen eines Baumeisters hier im Palast eingeführt.

BLONDE
Ah was sagst du? Belmonte da?

PEDRILLO
Mit Leib und Seele!

BLONDE
 Ha! das muss Konstanze wissen! Will fort.

PEDRILLO
Hör nur Blondchen, hör nur erst: Er hat ein Schiff hier in der Nähe in Bereitschaft, und wir haben beschlossen, euch diese Nacht zu entführen.

BLONDE
O aller liebst, aller liebst! Herzens-Pedrillo! Das verdient einen Kuss. Geschwind, geschwind zu Konstanze! Will wieder fort.

PEDRILLO
Halt nur halt, und Lass erst mit dir reden. Um Mitternacht kommt Belmonte mit einer Leiter zu Konstanz’ns Fenster, und ich zu dem deinigen; und dann geht’s Heidi davon!

BLONDE
O vortrefflich! Aber Osmin?

PEDRILLO
Hier ist ein Schlaftrunk für den alten Schlaukopf, den misch ihm fein manierlich ins Getränke; verstehst du? Ich habe dort auch schon ein Fläschchen angefüllt. Geht's hier nicht, wird's dort wohl gehen.

BLONDE
Sorg' nicht für mich! – Aber kann Konstanze ihren Geliebten nicht sprechen?

PEDRILLO
Sobald es vollends finster ist, kommt er hier in Garten. Nun geh' und bereite Konstanze vor; ich will hier Belmonten erwarten. Leb wohl, Herzchen; leb wohl!

BLONDE
Leb wohl, guter Pedrillo! Ach, was werd ich für Freude anrichten!
Blonde ab.

PEDRILLO
Ah, dass es schon vorbei wäre! dass wir schon auf offner See wären, unsre Mädels im Arm, und dies verwünschte Land im Rucken hätten! Doch sei's gewagt; entweder itzt oder niemals. Wer zagt, verliert!

Frisch zum Kampfe!
Frisch zum Streite!
Nur ein feiger Tropf verzagt.
Sollt' ich zittern?
Sollt' ich zagen?
Nicht mein Leben
Mutig wagen?
Nein, ach nein, es sei gewagt!
Frisch zum Kampfe!
Frisch zum Streite!
Nur ein feiger Tropf verzagt.

OSMIN
Ha! Geht's hier so lustig zu? Es muss dir verteufelt wohl gehen.

PEDRILLO
Ei, wer wird so ein Kopfhänger sein; es kommt beim Henker da nichts bei heraus: das haben die Pedrillos von jeher in ihrer Familie gehabt. Fröhlichkeit und Wein versü?t die härteste Sklaverei. Freilich könnt ihr armen Schlucker das nicht begreifen, dass es so ein herrlich Ding um ein Gläschen guten alten Lustigmacher ist. Wahrhaftig, da hat euer Vater Mohamed einen verzweifelten Bock geschossen, dass er euch den Wein verboten hat. Wenn das verwünschte Gesetz nicht wäre, du müsstest ein Gläschen mit mir trinken, du möchtest wollen oder nicht. Für sich. Vielleicht beisst er an: er trinkt ihn gar zu gerne.

OSMIN
Wein mit dir? Ja Gift –

PEDRILLO
Immer Gift und Dolch, und Dolch und Gift! Lass doch den alten Groll einmal fahren und sei vernünftig. Sich einmal, ein Paar Flaschen Ciperwein! – Ah – Er zeigt ihm zwei Flaschen, wovon die eine größer als die andere ist. Die sollen mir trefflich schmecken!

OSMIN für sich.
Wenn ich trauen dürfte?

PEDRILLO
Das ist ein Wein! das ist ein Wein!
Er setzt sich nach türkischer Art auf die Erde, und trinkt aus der kleinen Flasche.

OSMIN
Kost einmal die große Flasche auch.

PEDRILLO
Denkst wohl gar, ich habe Gift hinein getan? Ha! Lass dir keine graue Haare wachsen. Es verlohnte sich der Mühe, dass ich deinetwegen zum Teufel führe. Da sieh, ob ich trinke.
Er trinkt aus der großen Flasche ein Wenig.
Nun hast du noch Bedenken? Traust mir noch nicht? Pfui, Osmin! sollt'st dich schämen – Da nimm!
Er gibt ihm die große Flasche.
Oder willst du die kleine?

OSMIN
Nein Lass nur, Lass nur! Aber wenn du mich verrätst.

PEDRILLO
Als wenn wir einander nicht weiter brauchten. Immer frisch! Mohamed liegt längst aufm Ohr, und hat nötiger zu tun, als sich um deine Flasche Wein zu bekümmern.

Duett:

PEDRILLO
Vivat Bachus!
Bachus lebe!
Bachus war ein braver Mann!

OSMIN
Ob ichs wage?
Ob ich trinke?
Ob's wohl Alla sehen kann?

PEDRILLO
Was hilft das Zaudern?
Hinunter, hinunter!
Nicht lange, nicht lange gefragt!
OSMIN
Nun war's geschehen,
Nun war's hinunter;
Das heiß’ ich, das heiß’ ich gewagt!

BEIDE.
Es leben die Mädchen,
Die Blonden, die Braunen,
Sie leben hoch!

PEDRILLO
Das schmeckt trefflich!

OSMIN
Das schmeckt herrlich!

BEIDE.
Ah! das heiß’ ich Göttertrank!
Vivat Bachus,
Bachus lebe,
Bachus, der den Wein erfand!

PEDRILLO
Wahrhaftig, das muss ich gestehen, es geht doch nichts über den Wein! Wein ist mir lieber, als Geld und Mädchen. Bin ich verdrießlich, mürrisch, launisch: hurtig nehm' ich meine Zuflucht zur Flasche; und kaum seh' ich den ersten Boden: weg ist alle mein Verdruss! – Meine Flasche macht mir kein schiefes Gesicht, wie mein Mädchen, wenn ihr der Kopf nicht auf dem rechten Flecke steht; und schwatzt mir von Süßigkeit der Liebe und des Ehestands, was ihr wollt: Wein auf der Zunge geht über alles!
Osmin fängt bereits an die Wirkung des Weins und des Schlaftrunks zu spüren, und wird bis zu Ende des Auftritts immer schläfriger und träger, doch darf’s der Schauspieler nicht übertreiben, und muss nur immer halb träumend und schlaftrunken bleiben.

OSMIN
Das ist wahr – Wein – Wein – ist ein schönes Getränke; und unser großer – Prophet mag mir’s nicht übel nehmen –  Gift und Dolch! es ist doch eine hübsche Sache um den Wein! – Nicht – Bruder Pedrillo?

PEDRILLO
Richtig, Bruder Osmin, richtig!

OSMIN
Man wird gleich so – munter Er nickt zuweilen. so vergnügt – so aufgeräumt – Hast du nichts mehr, Bruder?
Er langt auf eine lächerliche Art nach einer zweiten Flasche, die Pedrillo ihm reicht.

PEDRILLO
Hör du, Alter: trink mir nicht zu viel; es kommt einem im Kopf.

OSMIN
Trag doch keine – Sorge, ich bin ja – so – nüchtern wie möglich – Aber das ist wahr – Er fängt an, auf die Erde bin und her zu wanken. es schmeckt – vortrefflich!

PEDRILLO für sich.
Es wirkt, Alter; es wirkt!

OSMIN
Aber verraten musst du mich nicht – Brüderchen – verraten – denn – wenn’s Mohamed – nein, nein – der Bassa wüsste – denn siehst du – liebes Blondchen– ja oder nein!

PEDRILLO für sich.
Nun wird’s Zeit, ihn fortzuschaffen! Laut. Nun komm, Alter, komm, wir wollen schlafen geh’n!
Er hebt ihn auf.

OSMIN
Schlafen? – Schämst du dich nicht? – Gift und Dolch! Wer wird denn so schläfrig sein – es ist ja kaum Morgen –

PEDRILLO
Ho, ho, die Sonne ist schon hinunter! – Komm, komm, dass uns der Bassa nicht überrascht!

OSMIN im Abführen. Ja, ja,– eine Flasche – guter – Bassa – geht über– alles! – Gute Nacht – Brüderchen – gute Nacht –

Pedrillo führt ihn hinein, kommt aber gleich wieder zurück.

PEDRILLO
Gute Nacht – Brüderchen – gute Nacht! Ha, ha, ha, ha, alter Eisenfresser! erwischt man dich so? Gift und Dolch! – Du hast deine Ladung! Nur fürcht' ich, Ist’s noch zu zeitig am Tage; bis Mitternacht sind noch drei Stunden, und da könnt er leicht wieder ausgeschlafen haben.– Ach! kommen Sie, kommen Sie, liebster Herr! Unser Argus ist blind; ich hab ihn tüchtig zugedeckt.

BELMONTE
O dass wir glücklich wären! – Aber sag: ist Konstanze noch nicht hier?

PEDRILLO
Eben kommt sie da den Gang herauf. Reden Sie alles mit ihr ab. aber fassen Sie sich kurz; denn der Verräter schläft nicht immer.

KONSTANZE
O mein Belmonte!

BELMONTEO
Konstanze!

KONSTANZE
Ist’s möglich? – Nach so viel Tagen der Angst, nach so viel ausgestandenen Leiden, dich wieder in meinen Armen –

BELMONTEO
dieser Augenblick versüßt allen Kummer, macht mich all meinen Schmerz vergessen –

KONSTANZE
Hier will ich an deinem Busen liegen und weinen! – Ach, jetzt fühl ich’s: Die Freude hat auch ihre Tränen!

BELMONTE
Lass mich sie hinweg küssen diese Tränen; o dass es die letzten wären! – Aber, Konstanze, Ist’s wahr? Du bist die Geliebte des Bassa?

KONSTANZE
Wie, Belmonte? Konntest du glauben, dass deine Konstanze jemals untreu werden könnte? Traust du einem Mädchen nicht mehr Treue und Standhaftigkeit zu? – Wie viel Nächte hab' ich schlaflos auf meinem Lager durchwacht, wie viel Seufzer für dich zum Himmel geschickt – Ha! rief ich aus: Gütiger Himmel! erhalte nur meinen Belmonte; und ich will gern alles erdulden, ihm dies Herz so treu wieder zu bringen, als es bei unserer Trennung war.

BELMONTEO verzeih, Konstanze, verzeih dem misstrauischen Liebhaber. Du weißt ja: Unglück macht misstrauisch. Mit diesem Kuss empfange meine Gelübde aufs Neue, ewig, ewig der Deinige zu sein! – Und nun zu unserm Vorhaben: Ich hab hier ein Schiff in Bereitschaft; um Mitternacht, wenn alles schläft, komm ich an dein Fenster; und dann sei die Liebe unser Schutzengel!

KONSTANZE
Mit tausend Freuden! Was wollt ich nicht mit dir wagen? Ich erwarte dich –

PEDRILLO
Also, liebes Blondchen, pass ja hübsch auf, hörst du's?

BLONDE
Sorge für mich nicht. Das wär’ das erste Abenteuer, das ein Mädchen verschlafen hätte.

PEDRILLO
Du wirst's schon merken, wenn du so was Gesungenes hörst, wie's so meine Art des Abends immer ist; dann pass auf, und dann mit einem Sprung ins Schiff! – Nur hübsch Mut gefasst, und nicht verzagt: Wer alles zu verlieren hat, muss alles wagen!

Mit Pauken und Trompeten,
Und Tapferkeit und Stärke
Geh’n Helden rasch zu Werke,
Und tragen Sieg davon.

BLONDE.
Auch schwacher Mädchen Herzen
Kann Heldenmut beleben;
Trotz Zagen, Angst und Beben,
Ist endlich Sieg ihr Lohn.

BELMONTE.
Für dich, mein teures Leben,
Sollt' ich nicht alles wagen?
Selbst Fesseln für dich tragen,
Wär' schon ein süßer Lohn.

KONSTANZE .
Was acht ich die Gefahren!
In dir nur find' ich Freuden.
Den Tod für dich zu leiden,
Wär' für mich süßer Lohn.

ALLE ZUGLEICH.
Wie bebt das Herz vor Freuden!
Ha! mit der Liebe Flügeln
Eil ich durch Meer und Fluten,
Geliebte, (Geliebter) schon davon.

3. Akt
PEDRILLO
Hier lieber Klaas, hier leg sie indes nur nieder, und hole die zweite vom Schiff. Aber nur hübsch leise, dass nicht viel Lärm gemacht wird: es geht hier auf Tod und Leben.

KLAAS.
Laht mik man mahken 'k versteh hen Snack ohk en Bätken, wenn wir se man erst am Bord hebben.

PEDRILLO
Ach lieber Klaas! wenn wir mit unsrer Beute glücklich nach Spanien kommen: ich glaube, Don Belmonte lässt dich in Golde einfassen.

KLAAS. Dat müsst' woll ehn Bätken toh wahrm op het Fell gahn, mahkt nischt uht, wörd sik woll geben. Ick hole de Ledder. Geht ab.

PEDRILLO
Ach! wenn ich sagen sollte, dass mir’s Herz nicht klopfte, so sagt' ich eine schreckliche Lügen. Die verzweifelten Türken versteh’n nicht den mindesten Spaß; und ob der Bassa gleich ein Renegat ist, so ist er, wenn’s aufs Kopf ab ankommt, doch ein völliger Türke. Klaas bringt die zwote Leiter. So, guter Klaas, und nun lichte die Anker, und spann alle Segel auf: denn eh eine halbe Stunde vergeht, hast du deine völlige Ladung.

KLAAS
Bring sie nohr hastig, und dann lahr mick sorgen.
Geht ab.

PEDRILLO
Ach! – ich muss Atem holen – Es zieht mir's Herz so eng zusammen, als wenn ich’s größte Schelmstück vorhätte – – Ach wo mein Herr auch bleibt! –

BELMONTE ruft leise
Pedrillo! Pedrillo!

PEDRILLO
Wie gerufen!

BELMONTE
Ist alles fertig gemacht?
PEDRILLO
Alles! Jetzt will ich ein wenig um den Palast herum spionieren, wie's aussieht. Nehmen Sie indessen hier die Mandoline, und spielen Sie eins. Ich hab das so alle Abende getan; und wenn Sie da auch jemand gewahr wird, oder begegnet: denn alle Stunden macht hier eine Janitscharenwache die Runde; so hat’s nichts zu bedeuten, sie sind das von mir schon gewohnt; es ist fast besser, als wenn man Sie so stille hier fände.

BELMONTE
Lass mich nur machen, und komm bald wieder.
Pedrillo geht ab.

BELMONTE
O Konstanze, Konstanze! wie schlägt mir das Herz! Je näher der Augenblick kommt, desto ängstlicher zagt meine Seele; ich fürchte und wünsche, lebe und hoffe. O Liebe, sei du meine Leiterin!
Er singt und schlägt die Mandoline dazu.

Welch ängstliches Beben,
Welch sehnliches Streben,
Welch feurig Verlangen,
Zittert durch mein ganzes Blut!
Wie vom Sturm daher geschleudert,
Fürcht' und hoff' ich Tod und Leben;
O! wer kann mir Ruhe geben;
Ach! wer lindert meinen Schmerz?
Welch ängstliches Beben;
Welch sehnliches Streben,
Welch feurig Verlangen
Zittert durch mein ganzes Blut!

PEDRILLO
Alles ruhig, alles stille;
Jeder liegt auf seinem Ohre,
Und die Wach' ist schon hinein.

BELMONTE
Ha! so komm, sie zu erretten,
Denn geängstet, wie in Ketten,
Schlägt mein krankes Herz für sie.
Komm, Lass uns eilen!

PEDRILLO
Nicht so geschwinde!

BELMONTE.
Sie zu erretten.

PEDRILLO
Nur nicht so hitzig!

BELMONTE.
Bester Pedrillo!

PEDRILLO
Ah, nur gemach!
Erst sing ich mein Liedchen,
Hm! – hust' ich darein:
Dann hol ich die Leiter;
Husch! sind wir hinein.

BELMONTE.
Zaudre nicht länger!

PEDRILLO
Ah, nur gemach!

BELMONTE.
Gib mir die Leiter.

PEDRILLO
Ah, nur gemach!

BELMONTE.
Lass mich, Lass mich sie befrei’n!

PEDRILLO
Lieber Herr, das kann nicht sein.
Sieht nach der Uhr.

Ha! just ist es Mitternacht,
Stellen Sie sich auf die Wacht
Dort im Rosmaringesträuche,
Damit Niemand uns beschleiche.

Belmonte entfernt sich.

Nun, du liebe Mutter Nacht!
Nimm mich unter deinen Mantel,
Geht es schief mit unserm Handel,
Husch ich wie ein Blitz davon.
Sollte man uns Attrappieren,
Ging es an ein Strangulieren,
Hälf gar kein Kapitulieren.

Er lauscht.

O weh! o weh!
Was rührt sich da?

Belmonte nähert sich.

O mach geschwind!

PEDRILLO
Dort rauschte was.

BELMONTE.
Es war der Wind.
Frisch zum Signale!

PEDRILLO
Jetzt fang ich an.

BELMONTE
Alles ist ruhig;

PEDRILLO
Jetzt fang ich an.

BELMONTE
Quälest mein klopfendes Herze so sehr!

PEDRILLO
Vorsicht ist nötig: nun hör ich nichts mehr.

Er begleitet sich zugleich auf der Mandoline.

In Mohrenland gefangen war,
Ein Mädel hübsch und fein;
Sah rot und weiß, war schwarz von Haar,
Seufzt Tag und Nacht und weinte gar;
Wollt' gern erlöset sein.

Da kam aus fernem Land daher,
Ein junger Rittersmann;
Den jammerte das Mädchen sehr;
Ach rief er, wag ich Kopf und Ehr,
Wenn ich sie retten kann.

Noch rührt sich nichts, noch geht es gut.

BELMONTE.
Ende, ach ende!

PEDRILLO
Nur auf der Hut!
Belmonte entfernt sich wieder.

PEDRILLO

Ich komm zu dir in finstrer Nacht,
Lass, Liebchen, husch mich ein!
Ich fürchte weder Schloss noch Wacht;
Holla! horch auf! um Mitternacht,
Sollst du erlöset sein.

Gesagt, getan; Glock zwölfe stand
Der tapfre Ritter da;
Sanft reicht sie ihm die weiche Hand;
Früh man die leere Zelle fand;
Fort war sie, hopsasa!
Pedrillo hustet einigemal, KONSTANZE  öffnet das Fenster.

PEDRILLO
Sie öffnet, sie öffnet!

Winkt Belmonte.

BELMONTE.
Ich komme, ich komme!

KONSTANZE  am Fenster.
Belmonte, Belmonte!

BELMONTE.
Konstanze, Konstanze!
Pedrillo stellt die Leiter an Konstanzens Fenster, Belmonte steigt hinein; Pedrillo hält die Leiter.

PEDRILLO
Welches Zittern, welches Zagen!
Kriegte man mich jetzt bei'm Kragen,
Gings dem Hehler,
Wie dem Stehler,
Wär das bisschen Kopf dahin.
Belmonte kommt mit Konstanze unten zur Türe heraus.

BELMONTE
Nun, holder Engel!
Hab ich dich wieder.

KONSTANZE .
Zagend und ängstlich
Beben die Glieder.

PEDRILLO
Frisch nach dem Strande!
Ich folge gleich.

Belmonte und Konstanze ab.

Lieber Kupido,
Halt mir die Leiter!

Er steigt an Blondens Fenster.

Blondchen, ach Blondchen!
Öffne das Fenster,
Hurtig mach auf!
Das Fenster wird geöffnet, er steigt hinein.

OSMIN
Du hörtest Lärmen? –
Vermutlich schwärmen
Dieb und Mörder um das Haus. –
Geh, marschiere,
Spioniere
Hurtig, hurtig sie mir aus!

Der Stumme lauscht ein wenig herum; endlich wird er die Leiter an Osmins Fenster gewahr, erschrickt und zeigt sie Osmin, der wie im Taumel mit der Laterne in der Hand an seine Haustüre gelehnt, steht und nickt.

OSMIN
Gift und Dolch! ich bin verloren;
O man hat mir Tod geschworen:
Ach, man steigt mir gar ins Haus!

Er tummelt sich herum: weil er aber noch halb schlaftrunken ist, stößt er sich hier und da etc.

O weh! o weh!
Hurtig die Wache!
Geh, geh, geh, geh!
Rühr' dich und mache
Alles darnieder:
Komm dann bald wieder,
Schlag alles tot!
Der Stumme ab.Osmin setzt sich auf die Leiter mit der Laterne in der Hand und nickt ein. Pedrillo kommt rückwärts wieder zum Fenster herausgestiegen, und will die Leiter wieder herunter. Blonde oben am Fenster wird Osmin gewahr und ruft Pedrillo zu:

BLONDE.
Himmel, Pedrillo!
Wir sind verloren.
Pedrillo sieht sich um, und so wie er Osmin gewahr wird, stutzt er, besieht ihn und steigt wieder zum Fenster hinein.

PEDRILLO
Ah! welcher Teufel
Hat sich verschworen.
OSMIN auf der Leiter dem Pedrillo nach; ruft:
Blonde! Blonde!

PEDRILLO im Hineinsteigen zu Blonden.
Zurück, nur zurück!

OSMIN
Räuber! Räuber!

BLONDE
Verwünschtes Geschick!

OSMIN steigt wieder zurück.
Welch ein Getöse! –
Welch ein Geräusche! –
Hilfe, o Hilfe!
Das sind die Räuber,
Hurtig, Soldaten,
Kommt eilig herbei;
Pedrillo kommt mit Blonden unten zur Haustüre heraus, sieht schüchtern nach der Leiter, und schleicht sich dann mit Blonden darunter weg.

PEDRILLO UND BLONDE im Abgehen.
Himmel, o Himmel,
Wären wir frei!

OSMIN der sie bemerkt.
Zu Hilfe! zu Hilfe!
Gewalt! Gewalt!
Er will nach.

WACHE mit Fackeln halten Osmin an.
Halt, halt!

OSMIN
Dorthin, ihr Herren.

WACHE
Willst du dich sperren?

OSMIN
Gelt keinen Pardon!

WACHE
Du sollst nicht davon.
Sie wollen ihn fortführen.

OSMIN
Ihr irrt euch,

WACHE
Ei nicht doch!

OSMIN
Ich rief euch;

WACHE
Ei seht doch!

OSMIN, der sich immer loszumachen sucht.
Dorthin, ihr Herren!

WACHE
Willst du dich sperren?

OSMIN
Gebt keinen Pardon!

WACHE
Du sollst nicht davon!
Sie wollen wieder fort mit ihm.

OSMIN
Gewalt! Gewalt!

WACHE
Halt! Halt!
Der Stumme kommt zurück.

OSMIN zum Stummen.
Ali komm doch und bedeute,
Diese unverschämten Leute
Schleppen sonst mich selbst davon.
Der Stumme sucht sie zu bedeuten.

EINER VON DER WACHE
Ah! wenn das ist, lasst ihn gehen,
Nachts kann Irrtum leicht geschehen:
Sieh, da bringen sie sie schon.
Ein Teil der Wache bringen Pedrillo und Blonde.

OSMIN
Ist es möglich!
Wach' ich, träum' ich?
Seid ihrs beide?
Hurtig, Leute,
Gleich herunter mit dem Kopf!

PEDRILLO
Ich armer Tropf.

OSMIN
Nun kann ich mein Mütchen kühlen;
Sollst nun meine Rache fühlen;
Seh’ dich künftig ohne Kopf.

PEDRILLO
Ich armer Tropf!
Ein andrer Teil der Wache, auch mit Fackeln, bringen Belmonte und Konstanze; Belmonte widersetzt sich noch.

BELMONTE.
Schändliche, lasst mich!

WACHE
Gib dich, ergib dich!

OSMIN
Haltet ihn fest!

WACHE
Ha! wie verwegen,

OSMIN
Schleppt ihn zum Bassa!

WACHE
Zog er den Degen!

OSMIN
Haltet ihn fest!

BELMONTE
Schändliche, lasst mich!

WACHE
Gib dich, ergib dich!

OSMIN
Haltet ihn fest!

BELMONTE UND KONSTANZE
Seht den Beutel voll Zechinen.

OSMIN UND WACHE
Wie? Ihr wolltet euch erkühnen?

BELMONTE, KONSTANZE , PEDRILLO UND BLONDE
Ei, so lasst mich / ihn doch nur reden!

OSMIN UND WACHE
Nicht ein Wort! nicht ein Wort!

BELMONTE, KONSTANZE , PEDRILLO UND BLONDE
Kann euch unser Unglück dienen?

OSMIN UND WACHE
Wie? Ihr wolltet euch erkühnen?

BELMONTE, KONSTANZE , PEDRILLO UND BLONDE
Nehmt den Beutel voll Zechinen.

OSMIN UND WACHE
Schleppt sie fort! schleppt sie fort!

BELMONTE UND KONSTANZE
Habet Mitleid!

OSMIN UND WACHE
Nicht ein Wort!

PEDRILLO UND BLONDE
Habt Erbarmen!

OSMIN UND WACHE
Schleppt sie fort!

BELMONTE, KONSTANZE , PEDRILLO UND BLONDE
Kann euch unser Unglück dienen?

OSMIN UND WACHE
Ah, Verräter! so verwegen,

BELMONTE, KONSTANZE , PEDRILLO UND BLONDE
Nehmt den Beutel voll Zechinen.

OSMIN UND WACHE
Uns zu drohen mit dem Degen!

BELMONTE, KONSTANZE , PEDRILLO UND BLONDE
Habt Erbarmen!

OSMIN UND WACHE
Marsch zum Bassa!

BELMONTE, KONSTANZE , PEDRILLO UND BLONDE.
Halt, Barbaren! nur ein Wort!

OSMIN UND WACHE
Kein Erbarmen; schleppt sie fort!

KONSTANZE  UND BELMONTE.
Lasst so vielen Schmerz euch rühren!

PEDRILLO UND BLONDE.
Lasst euch unser Unglück rühren!

OSMIN
O wie will ich triumphieren!

PEDRILLO
Ich will gern kapitulieren.
Ach, man wird mich strangulieren!

OSMIN UND WACHE
Hier hilft kein Expostulieren;
Wirst gar niedlich figurieren.

WACHE
Marsch! marsch! marsch!

BELMONTE, KONSTANZE , PEDRILLO UND BLONDE
Halt! halt! halt!
Lasst euch erweichen!

OSMIN UND WACHE
Marsch! fort zum Bassa!

BELMONTE, KONSTANZE , PEDRILLO UND BLONDE
O haltet ein!

OSMIN UND WACHE
Nein, nein, nein, nein!

SELIM zu einem seiner Officiere.
Geht, unterrichtet Euch, was der Lärm im Palast bedeutet; er hat uns im Schlaf aufgeschreckt, und lasst mir Osmin kommen.
Der Offizier will abgehen, da kommt Osmin zwar hastig, doch noch ein wenig schläfrig.

OSMIN
Herr! – Verzeih, dass ich es so früh wage – deine Ruhe zu stören.

SELIM
Was gibt’s, Osmin, was gibt’s? Was bedeutet der Aufruhr?

OSMIN
Herr, es ist die schändlichste Verräterei in deinem Palast

SELIM
Verräterei?

OSMIN
Die niederträchtigen Christensklaven entführen uns – die Weiber. Der große Baumeister, den du gestern auf Zureden des Verräters Pedrillo aufnahmst, hat deine – schöne Konstanze entführt.

SELIM
Konstanze? entführt? Ah, setzt ihnen nach!

OSMIN
O 's ist schon dafür gesorgt! Meiner Wachsamkeit – hast du es zu danken, dass ich sie wieder beim Schopfe gekriegt habe. Auch mir selbst hatte der – spitzbübische Pedrillo eine gleiche Ehre zugedacht, und er hatte mein Blondchen schon beim Kopfe, um mit ihr – in alle Welt zu reisen – Aber Gift und Dolch! er soll mir’s entgelten! – Sieh, da bringen sie sie!
Belmonte und Konstanze werden von der Wache hereingeführt.

SELIM
Ah, Verräter! Wagt ihr's, vor meine Augen zu kommen? – Ha, du heuchlerische Sirene? War das der Aufschub, den du begehrtest? Missbrauchtest du so die Nachsicht, die ich dir gab, um mich zu hintergehen?

KONSTANZE
Ich bin strafbar in deinen Augen, Herr, es ist wahr: aber er ist mein Geliebter, mein einziger Geliebter, dem lang schon dieses Herz gehört. O nur für ihn, nur um seinetwillen fleht' ich Aufschub. – O Lass mich sterben! Gern, gern will ich den Tod erdulden: aber schone nur sein Leben –

SELIM
Und du wagst's, Unverschämte, für ihn zu bitten?

KONSTANZE
Noch mehr: für ihn zu sterben!

BELMONTE
Ha, Bassa! Noch nie erniedrigte ich mich zum Bitten, noch nie hat dieses Knie sich vor einem Menschen gebeugt: aber sieh, hier lieg ich zu deinen Füssen; und gerne will ich sterben, nur schone Konstanze!

KONSTANZE
Nein, hör ihn nicht, Bassa, hör ihn nicht: die Liebe macht ihn blind; er weiß nicht, was er spricht. Mich allein Lass deinen Zorn empfinden, mich allein sterben.

BELMONTE
Nein, K onstanze, nein! Nur ich habe den Tod verdient; nur ich sterbe –

SELIM
Schweigt, Unglückliche, schweigt! ihr sollt beide sterben.

KONSTANZE
O wie glücklich! – O mein Geliebter! man will uns nicht trennen. Ach, in deinen Armen zu sterben, welche Wonne!

Duett:

KONSTANZE  UND BELMONTE.
Ach, von deinem Arm umschlungen,
Todesengel, sei willkommen!
Lächelnd sink' ich in das Grab.

KONSTANZE .
O wie selig!

BELMONTE.
O wie glücklich!

KONSTANZE .
Am elisischen Gestade,

BELMONTE.
Auf dem nie betretnen Pfade

BEIDE.
Mich mit dir vereint zu sehn!

KONSTANZE .
Welche Freude!

BELMONTE.
Welche Wonne!

KONSTANZE .
An dem ruhevollen Strande,

BELMONTE.
In dem unbekannten Lande,

BEIDE.
Mich an deiner Hand zu sehn!

KONSTANZE .
O wie selig!

BELMONTE.
O wie glücklich!

KONSTANZE .
Mein Geliebter!

BELMONTE.
Ach, Geliebte!
B
EIDE.
Lächelnd sink' ich in das Grab!

SELIM bei Seite
Fast rührt mich so viel Liebe, so viel Beständigkeit.

OSMIN
Ach, Herr! kannst du das sehen? zugeben, dass sie da vor deinen Augen – Ha, Gift und Dolch! Die Wut lässt mich nicht reden. – Ah! da kommt auch das zärtliche Pärchen, das auch mir so einen Streich gespielt hat. – Ach, könnt' ich dich mit den Augen töten, heimtückischer Verräter!
Die Wache bringt Pedrillo und Blonden ebenfalls gefesselt.

PEDRILLO dem Bassa zu Füssen
Großer Bassa! Vergib, wenn’s möglich ist, dass wir’s wagten, ohne Abschied davon zu gehen. Die Liebe ist an der ganzen Affaire schuld. Das liebe Mädchen hier ist eine alte Bekanntschaft aus Spanien: Unsere Ehe war so gut als richtig; und wenn wir glücklich dazumal nach Cadiz gekommen wären, wir wären, längst Mann und Frau. Das Heimweh kam ihr und mir in Kopf; der alte Griesgram quälte sie Tag und Nacht –

SELIM
Schweig, Verräter, und reize meinen Zorn nicht noch mehr! – Osmin! Man erdrossle sie zugleich!

OSMINO
Mit tausend Freuden!
Einige Türken mit seidenen Stricken nähern sich ihnen.

PEDRILLO
Ach liebes Mädchen! wer hätte das gedacht!

BLONDE
Unglücklicher Tag! unglückliches Mädchen!
Einander im Arm.

BELMONTE
Ach, meine Konstanze!

KONSTANZE
O mein Belmonte!

SELIM
Belmonte sagst du? – Ist das dein Name?

BELMONTEO
dass er’s nicht wäre!

SELIM
Belmonte! Belmonte?

BELMONTE
Der unglückliche Belmonte! Ein Ball des Unglücks von Jugend auf. – Ohne Vater, ohne Freund –

SELIM für sich
Gott! wär es möglich? Laut. Sag, sag junger Mann, wie heißt deine Vaterstadt?

BELMONTE
Toledo.

SELIM
Und wer war dein Vater?

BELMONTE
Don Carlos Belmonte, der mich als ein Kind von vier Jahren in das Kloster St. Sebastian überbrachte

SELIM
Ach Gott, er ist’s! Mein Sohn, mein Sohn! Du bist mein Sohn. Ich bin dein Vater.

BELMONTE
Mein Vater? mein Vater?

SELIM
Dein unglücklicher Vater! Komm in meine Arme! Wie viele vergebliche Nachforschungen hab' ich deinetwegen angestellt; wie viele Tränen um dich vergossen! – O dass mich ein unbesonnener Augenblick zu dem Schritte verleitete – Doch jetzt nichts hiervon; jetzt bin ich bloß der glückliche Vater.

BELMONTE
O mein Vater, mein Vater! Wie soll ich’s der Vorsehung danken – In dem schrecklichsten Augenblick meines Lebens, am Rande des Todes – und nun so glücklich! O Konstanze, Konstanze! Lass uns seine Knie umfassen –
Sie werfen sich beide nieder

KONSTANZE
Darf ich’s wagen? Wollen Sie auch mein Vater sein?

SELIM
Steh auf! sich auf, gutes Mädchen, er ist dein! Seid meine Kinder!

KONSTANZE  UND BELMONTE ihm die Hände küssend
O wie glücklich!

KONSTANZE
Ich kann mich kaum fassen! Ist's ein Traum, oder Ist’s Wahrheit? – O, das Herz wallt mir vor Freude, vor Entzücken!

Ah, mit freudigem Entzücken
Strömt mein feuriger Gesang;
Und hinauf zu jenen Höhen
Steigt des Herzens Wonnedank.
Schon umgab mich Todesschrecken;
Ach! ich fühlte mich nicht mehr,
Und in höhern Regionen
Flatterte mein Geist umher.

PEDRILLO mit Blonden dem Bassa zu Füssen
Herr, dürfen wir beide Unglückliche es auch wagen, um Gnade zu flehen? – Ein alter getreuer Diener deines Sohnes –

BELMONTE
Auch ich bitte für ihn! Ohne ihn wär' ich nicht hier –

OSMIN
Ah, Herr, Lass dich ja nicht von dem verwünschten Schmarotzer hintergehen! Keine Gnade! keine Gnade! er hat den Tod hundertmal verdient.

SELIM
Schweig! – Steht auf und Seid frei! Wer könnte an so einem glücklichen Tage Unglückliche um sich sehen?

PEDRILLO
O tausend Dank, großer Bassa! Juchhe! Nun spring' ich mit gleichen Füssen wieder ins Leben hinein!

OSMIN
Gift und Dolch! Ich möchte bersten! – Aber, Herr! meine Sklavin Blonde muss er wieder herausgeben?

PEDRILLO bittend
Meine alte verlobte Braut, mein liebes Blondchen! –

SELIM
Ist dein, und ist frei!

BLONDE
Wie glücklich!

PEDRILLO
Es lebe der große Bassa Selim!

OSMIN
Ha! das ist zum rasend werden!

PEDRILLO
Komm, guter Alter, Lass uns Freunde sein. Hier biet' ich dir die Hand. –

OSMIN
Freund mit dir? – Ah! mit dem Teufel lieber Freundschaft, als mit dir Verräter.
Geht drohend ab.

BLONDE
Lass ihn laufen, Pedrillo, Lass ihn laufen. Dem Himmel sei Dank, dass ich aus seinen Klauen erlöset bin!

PEDRILLO
Ja wohl, liebes Blondchen; jetzt mag er schlafen oder wachen, ich lache dazu.

BELMONTE
Ach, meine Konstanze! Endlich sind wir vereint.

KONSTANZE
Mein Einziger, mein verlorner Geliebter!

BLONDE
Nun, mein Fräulein? Sagt' ich nicht immer: Hoffnung lässt nicht zu Schanden werden?

CHOR.
Oft wölkt stürmisch sich der Himmel;
Nacht und grausendes Getümmel
Zeigt sich schrecklich unserm Blick:
Doch ein Strahl der milden Sonne
Kehrt den Jammer schnell in Wonne,
Bringt die Freuden bald zurück.